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Wann können Dritte Einsicht in die Insolvenzakte verlangen?

Gläubiger benötigen zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber insolventen Schuldnern regelmäßig Informationen über das laufende Insolvenzverfahren. Eine Akteneinsicht kann deshalb sehr hilfreich sein. Dies ist auch grundsätzlich möglich, denn neben den beteiligten Parteien können auch Dritte Einsicht in die Insolvenzakte bekommen.

Das Bayrische Oberlandesgericht hat sich in seinem aktuellen Urteil mit den Voraussetzungen für die Akteneinsicht beschäftigt.

Das sollten Sie zu diesem Thema wissen:

Insolvenzverwalter fordert über 6.5 Millionen Euro Schadensersatz von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft:

Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde von einem Unternehmen mit der Jahresabschlussprüfung in den Jahren 2015-2017 beauftragt. 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens eröffnet. Der Insolvenzverwalter war der Meinung, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihre Hinweispflichten verletzt hat und machte Ansprüche in Höhe von über 6,5 Millionen Euro geltend. Die Jahresabschlussprüfungen hätten ergeben, dass das Unternehmen bereits 2015 insolvenzreif gewesen sei.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verlangte daraufhin Einsicht in die Insolvenzakte und stützte ihr Begehren unter anderem § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO. Das notwendige rechtliche Interesse ergebe sich daraus, dass der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen sie geltend mache. Der Insolvenzverwalter entgegnete, dass die potenziellen Pflichtverletzungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht in Bezug zum Streitstoff des Insolvenzverfahrens stehen würden (BayObLG, 14.10.2021, 102 VA 66/21).

Wann ist ein Gläubiger Beteiligter eines Insolvenzverfahrens?

  • Ein Gläubiger ist Beteiligter, wenn er einen Gläubigerinsolvenzantrag gegen den Schuldner gestellt hat.
  • Als Beteiligter kann der Gläubiger nach § 299 Abs. 1 ZPO die Akten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle des Gerichts Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.

Wer kann nach § 299 Abs. 2 ZPO Akteneinsicht verlangen?

Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann das zuständige Gericht Dritten auch ohne die Einwilligung der Parteien Akteneinsicht gewähren, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Das zuständige Gericht trifft in diesem Fall eine Ermessensentscheidung.

  • Ein rechtliches Interesse kann bei Gläubigern gegeben sein, wenn sie durch Einsicht in die Akten herausfinden wollen, ob beim Schuldner möglicherweise noch vollstreckbares Vermögen vorhanden ist.
  • Ein rechtliches Interesse kann gegeben sein, wenn Dritte sich darauf berufen, dass ihnen zustehende Rechte durch den Akteninhalt berührt werden.
  • Ein rechtliches Interesse besteht nicht, wenn der Insolvenzverwalter Ansprüche des Insolvenzschuldners gegenüber Dritten geltend macht, die unabhängig vom Insolvenzverfahren entstanden sind.
  • Ein rechtliches Interesse besteht nicht, wenn der Dritte durch die Akteneinsicht Tatsachen über eine verfahrensfremde Person ermitteln will.
    Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gab an, dass sich das rechtliche Interesse aus den Vorwürfen des Insolvenzverwalters ihr gegenüber ergebe. Die Verzögerung der Insolvenzanmeldung habe möglicherweise auch der frühere Geschäftsführer des Unternehmens zu verschulden. Im Falle eines Mitverschuldens könne man gegebenenfalls interne Ausgleichsansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer geltend machen. Durch einen Einblick in die Insolvenzakte wollte man die Vermutung überprüfen.

Wie hat das zuständige Gericht entschieden?

Das Bayrische Oberlandesgericht verneinte im konkreten Fall ein rechtliches Interesse.

  • Das Gericht betonte, dass sich die Vorwürfe des Insolvenzverwalters gegenüber dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen auf den Zeitpunkt der Insolvenzreife und nicht auf das Insolvenzverfahren beziehen.
  • Es bestehe kein rechtlicher Bezug zwischen der potenziellen Verletzung des Prüfungsantrages und dem Insolvenzverfahren.
  • Die Schadensersatzansprüche des insolventen Unternehmens hätten, ohne dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auch von der Geschäftsführung selbst geltend gemacht werden können.
  • Durch die Akteneinsicht wolle die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft herausfinden, ob der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen eine verfahrensfremde Person, den ehemaligen Geschäftsführer haben könnte (BayObLG, 14.10.2021, 102 VA 66/21).

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