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Gesellschaftsrecht: Insolvenz einer GbR – Wer trägt die Verfahrenskosten?

 

Der BGH klärte in seinem Urteil (BGH, Urt. v. 21.11.2023 – II ZR 69/22) zwei wichtige Fragen im Bereich des Gesellschaftsrechts: die Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft für die Kosten eines Insolvenzverfahrens. Das Urteil räumt eine seit Jahren bestehende Diskussion aus dem Weg.

Das sollten Sie zu diesem Thema wissen:

Zum Fall

Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen des Immobilienfonds „Einkaufs- und Gewerbezentrum A“ einer GbR (Schuldnerin). Die Beklagte war eine Bank. Die Schuldnerin hatte 1992 ein Grundstück erworben, um ein Einkaufs- und Gewerbezentrum zu errichten, dieses zu vermieten und zu verwalten. Zur Teilfinanzierung des Kaufpreises (35.182.861,71 Euro) nahm sie drei Darlehen insgesamt in Höhe von rund 20 Millionen Euro bei der Rechtsvorgängerin der Landesbank SL auf. In den Darlehensverträgen vereinbarten die Parteien eine teilschuldnerische Haftung der Gesellschafter der Schuldnerin entsprechend ihren Gesellschaftsanteilen.

Ab Ende 1992 wurden vor allem Kleinanleger zum Beitritt als Gesellschafter geworben, welchen von der Bank hierfür auch Darlehen zur Verfügung gestellt wurden. Aufgrund von Unwirksamkeit mussten einige Verträge jedoch rückabgewickelt werden, sodass im Ergebnis die Beklagte selbst einen Teil der Gesellschaftsanteile übernahm.

Die Landesbank kündigte im August 2011 die Darlehensverträge aufgrund von Tilgungs- und Zinsrückständen und forderte die sofortige Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluten und Zinsrückständen in Höhe von 7.911.687,64 Euro. Daraufhin wurde am 28.03.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In diesem Verfahren meldete die Landesbank SL Forderungen in Höhe von 8.047.562,09 Euro zur Insolvenztabelle an. Im Juni und Juli 2014 leistete die Beklagte auf die Ansprüche insgesamt 1.371.650,61 Euro. Außerdem meldete die Landesbank noch nachranginge Zinsforderungen seit dem 19.04.2016 zur Tabelle an.

Der Kläger verlangte von der Beklagten einerseits die anteilige Darlehensrückzahlung entsprechend ihrer Beteiligungsquote und andererseits im Wege der Teilklage auch die Zahlung für die Kosten des Insolvenzverfahrens.

Das zuständige Landgericht (LG) gab der Klage im Hinblick auf die anteilige Darlehensrückzahlung statt und die Teilklage wies es zurück.

Beide Parteien legten gegen dieses Urteil Berufung ein, wobei beide Klagen beim Berufungsgericht ohne Erfolg waren. Es hat damit die Haftung der Beklagten verneint. Die Revision vor dem Senat war jedoch erfolgreich, weshalb das Berufungsurteil aufgehoben wurden und die Sache wieder an das Berufungsgericht zurückgewiesen wurde.

Die Problematik des Falles

Der Kläger forderte keine Ansprüche der Schuldnerin ein, sondern nahm die Beklagte als Gesellschafterin der Schuldnerin für deren Verbindlichkeiten in Anspruch.

Nach § 721 BGB nF (vor 2024 analog § 128 HGB aF) haften die Gesellschafter einer rechtsfähigen GbR persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Grundsätzlich ist diese Haftung eine gesamtschuldnerische, aber es kann auch eine teilschuldnerische Haftung vereinbart werden.

Im Insolvenzverfahren ist es die Aufgabe des Insolvenzverwalters, diese Haftung gem. § 93 InsO geltend zu machen. Er sammelt bei den Gesellschaftern die Haftungsbeträge ein und lässt sie dann den Insolvenzgläubigern zukommen.

§ 93 InsO wirft jedoch einige Probleme auf. Im konkreten Fall stellten sich folgende Fragen, die vom BGH nun zum ersten Mal geklärt wurden:

Werden nachrangige Forderungen ohne gerichtliche Aufforderung nach § 174 III InsO überprüft?

Ein Teil der Klagesumme beruhte auf Zinsforderungen, die nach § 39 I Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren nachrangig sind. Diese Forderungen werden nach § 174 III InsO nur angemeldet, soweit das Insolvenzgericht die Gläubiger hierzu besonders auffordert. Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen. Daher musste das Gericht prüfen, ob diese nachrangigen Forderungen im Rahmen des § 93 InsO unberücksichtigt bleiben, wenn es an der Aufforderung nach § 174 III InsO fehlt.

Der Wortlaut des § 93 InsO umfasst „jede persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Daraus ergeben sich keine Einschränkungen. Für nachrangige Forderungen gilt, dass diese ohne die gerichtliche Aufforderung nach § 174 III InsO nicht vom Insolvenzverwalter genutzt werden können. Erst nach dem Insolvenzverfahren kann er sie geltend machen. Er kann jedoch beim Gericht anregen, dass die Anmeldung der nachrangigen Forderungen eingefordert wird, sofern eine Befriedigung aller nicht nachrangiger Forderungen möglich ist und darüber hinaus Mittel zur nachrangigen Befriedigung zur Verfügung stehen.

Insgesamt ist § 174 III InsO also auch auf § 93 InsO anwendbar.

Tragen Gesellschafter die Kosten für das Insolvenzverfahren?

Außerdem beruhte ein Teil der nach § 93 InsO eingeforderten Gesellschaftsschulden auf Gerichtskosten im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Nach § 54 Nr. 1 InsO sind dies Massekosten. Massekosten sind Gesellschaftsschulden, die im Insolvenzverfahren mit Vorrang gegenüber den Insolvenzverbindlichkeiten erfüllt werden müssen.

Daher klärte der BGH die Frage, ob die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens und die Vergütungs- und Auslageansprüche des Insolvenzverwalters die persönliche Gesellschafterhaftung nach § 126 HGB nF und nach § 721 BGB nF auslösen und damit nach § 93 InsO geltend gemacht werden können.

Das Problem dabei ist, dass diese Masseverbindlichkeiten nicht vor dem Insolvenzverfahren begründet wurden. Deshalb wurde die persönliche Haftung der Gesellschafter in Bezug auf diese Verbindlichkeiten lange in der Literatur umstritten. Anders als noch in älterer Rechtsprechung (BGH-Urteil vom 24.09.2009- IX ZR 234/07) bejahte der BGH nun die persönliche Haftung der Gesellschafter sowohl in Bezug auf die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens als auch für die von der Schuldnerin zu tragenden Vergütungs- und Auslagenforderungen des Insolvenzverwalters. Außerhalb geregelter Ausnahmefälle bedürfte es nach Ansicht des BGH besonderer Begründung, wenn diese nicht haften sollten, nicht jedoch im Falle der persönlichen Haftung.

Eine Haftung ist innerhalb des Insolvenzverfahrens nur dann zu verneinen, wenn sie vom Insolvenzverwalter ohne Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter begründet wurden. Dies gilt für die Kosten des Insolvenzverfahrens jedoch nicht. Schließlich haben die Gesellschafter Einfluss auf die Entstehung des Eröffnungsgrundes für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Kosten des Insolvenzverfahrens stellen daher die Realisierung des Unternehmerrisikos dar.

Fazit

Es handelt sich um eine praktisch bedeutsame Leitentscheidung des BGH. Streitigkeiten in der Literatur, die sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt haben, wurden damit beseitigt. Das Urteil betont darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit der Gesellschafter für die Handlungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Da die Kosten für Insolvenzverfahren von den Gesellschaftern getragen werden müssen, sollten finanzielle Risiken rechtzeitig durch geeignete Maßnahmen minimiert werden, um finanzielle Stabilität langfristig sichern zu können.

Insolvenz einer GbR: Wer trägt die Verfahrenskosten? – Das sollten Unternehmen beachten!

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