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Die Veränderungen der landwirtschaftlichen Vermögensnachfolge in den letzten Jahren

Der landwirtschaftliche Strukturwandel ist auch in der Rechtsprechung angekommen. Die Gerichte beschäftigen sich die letzten Jahre vermehrt mit Fragen zur Hofeigenschaft und Hoferbfolge.

In diesem Beitrag haben wir die aktuellen Urteile übersichtlich zusammengefasst. Folgende Gerichtsentscheidungen sollten Betroffene kennen:

I. Höferecht

1. Wann verliert eine landwirtschaftliche Besitzung die Hofeigenschaft?

Die Hofeigenschaft wird im Grundbuch eingetragen ist. Ist der Hofvermerk eingetragen, so begründet das die Vermutung, dass eine „intakte“ landwirtschaftliche Betriebseinheit (im Sinne der HöfeO) vorliegt.

a. Landwirtschaftliche Organisationseinheit

Das OLG Celle beschäftigte sich 2016 mit der Frage, ob ein verpachteter Betrieb mit 105 ha Eigenland noch die Hofeigenschaft innehat. Der Hofeigentümer hatte sich bis zuletzt um Zahlungsansprüche und andere Verpflichtungen des Betriebes gekümmert.
Nach der Rechtsprechung des BGHs entfällt die Hofeigenschaft, wenn…

  • keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist. Die landwirtschaftliche Betriebseinheit muss im Zeitpunkt des Erbfalls bereits auf Dauer aufgelöst sein.
  • Der mutmaßliche Wille des Erblassers ist entscheidend.

Folgende Faktoren beeinflussen die Bewertung nicht:

  • Der Wille des Erben. Ob eine landwirtschaftliche Wiederherstellung durch den Erben zu erwarten ist, ist für die Beurteilung unerheblich.
  • Der Vermerk im Grundbuch, der den Betrieb als Hof betitelt. Die Hofeigenschaft kann somit unabhängig von dem Grundbuchvermerk entfallen.

Im konkreten Fall konnte das Gericht keinen Hofaufgabewillen beim Erblasser erkennen, sodass nur noch zu klären war, ob eine Wiederaufnahme aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu empfehlen ist.

b. Seit Jahren keine landwirtschaftliche Organisationseinheit

Anders müssen Sachverhalte beurteilt werden, bei denen seit Jahren keine landwirtschaftliche Organisationseinheit (z. B. in Form einer Verpachtung) mehr vorliegt. In einem Fall dieser Art nahm das Amtsgericht Kerpen an, dass der subjektive Wille des Erblassers nicht herangezogen werden müsse. Es sei schon nach den äußeren Umständen davon auszugehen, dass die Hofeigenschaft entfallen sei (AG Kerpen, 11.12.2018 – 23 LW 42/15).

c. Betriebsaufnahme wirtschaftlich nicht realisierbar

Problematisch sind Fälle, bei denen der Erblasser zwar einen Hoferhaltungswillen hatte, aber der Betrieb bei einer objektiven Betrachtung in Zukunft nicht mehr aufgenommen werden kann. In dem konkreten Fall vor dem OLG Hamm hat sich das Gericht dazu entschieden, die Hofeigenschaft zu verneinen und den Erbvertrag so zu interpretieren, dass der potenzielle Hoferbe den Besitz an dem Betrieb auch unabhängig von dessen Hofeigenschaft erben sollte (OLG Hamm, 21.03.2018 – 10W 63/17).

2. Gerichtsverfahren rund um den Hoferben

Wie jeder Erblasser kann auch ein Hofeigentümer im Rahmen einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) frei bestimmen, wer im Falle seines eigenen Todes Erbe sein soll und Hoferbe wird. Teilweise können sich jedoch Probleme ergeben, die dem Antritt des Erbes entgegenstehen können.

a. Wirtschaftsfähiger Erbe

Der Abkömmling, der als Hoferbe vorgesehen ist, muss wirtschaftsfähig sein. Diese Anforderung ist nach § 6 Abs. 7 HöfeO erfüllt, wenn der Erbe landwirtschaftlich-technische und organisatorisch-kalkulatorische Fähigkeiten hat, um den Hof zu führen. Soweit der Erbe diese Anforderungen erfüllt, kann er den Hof auch aus räumlicher Distanz führen (OLG Celle, 11.11.2016 – 7 W 38/16). Die Höfeordnung gilt nur in Hamburg, Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein. In Brandenburg, Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinlandpfalz gilt die landesrechtliche Höfeordnung. In Bayern, Berlin, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gilt das BGB.

b. Entgegenstehende Vermächtnisse

Vor dem OLG Köln ging es um einen Fall, in dem der Hoferbe nicht mit den Vermächtnissen seiner Schwestern einverstanden war. Seine Mutter hatte in ihrem Testament ihren Töchtern Vermächtnisse an ihren Hofgrundstücken zugewandt. Zudem erteilte sie den Töchtern Vollmachten, um die Vermächtnisse vollziehen zu können. Als die Töchter die Vermächtnisse vollziehen wollten, ging der Hoferbe gegen die Vermächtnisse seiner Schwestern vor. Die Vermächtnisse seien nach § 16 HöfeO nichtig, da sein Hoferbenrecht aus § 4 HöfeO durch sie ausgehöhlt werde. Das Oberlandesgericht urteilte, dass Vermächtnisse nichtig sind, wenn sie einen schützenswerten lebensfähigen landwirtschaftlichen Betrieb betreffen und gefährden. Für den konkreten Fall verneinte das OLG Köln aus den oben genannten Gründen die Nichtigkeit der Vermächtnisse (OLG Köln 23.03.2017 – 23 U 12/09).

3. Hofabfindung/ Nachabfindung

  • Abkömmlinge, die nicht Hoferben werden, haben aus § 12 HöfeO einen Abfindungsanspruch.
  • Abfindungsberechtigte Personen haben einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Hoferben um die Höhe der Abfindung ermitteln zu können (OLG Braunschweig, 01.06.2016 – 2 W 79 14).

Für eine ergänzende Abfindung (Nachabfindung) ist § 13 HöfeO heranzuziehen.

  • Wenn der Hoferbe innerhalb von 20 Jahren nach dem Erbfall oder der Hofübergabe den Hof oder Betriebsgrundstücke veräußert oder landwirtschaftsfremde Einnahmen erzielt, können die weichenden Erben eine Nachabfindung verlangen.
  • Einnahmen, die sich durch Windenergieanlagen ergeben, sind landwirtschaftsfremde Einkünfte und begründen ebenfalls einen Nachabfindungsanspruch gemäß § 13 HöfeO (OLG Oldenburg, 11.12.2017 – 10W 24 17).
  • Wird die bestehende Windenergieanlage durch eine Anlage ersetzt, die höhere Einnahmen generiert, ist ein Nachabfindungsanspruch aus § 13 HöfeO ebenfalls gegeben (OLG Oldenburg, 11.12.2017 – 10W 24 17).

II. Übergabeverträge

Landwirtschaftliche Betriebe werden in der Regel nicht vererbt, sondern durch Hofübergabe zu Lebzeiten übertragen. Der Übernehmer verpflichtet sich in der Regel zu Gegenleistungen in Form von einem Wohnrecht oder Altenteilleistungen.

  • Vertraglich vereinbarte Altenteilsverpflichtungen können reduziert werden, wenn sich die für die Anspruchsbemessung maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändern ((OLG Celle, 02.06.2016 – 7 B 68/15).
  • Die Möglichkeit der Reduzierung entfällt, wenn der Übernehmer des Hofes die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse selbst verursacht hat oder schon zum Zeitpunkt des Vertragsschluss in Betracht kam, dass ein Teil der Hofsubstanz verbraucht wurde (OLG Celle, 02.06.2016 – 7 B 68/15).

Die Verträge können ein Rücktrittsrecht für den Übergeber vorsehen. Das Rücktrittsrecht wurde durch allerdings durch die Gerichte bereits begrenzt.

  • Ein Rücktrittsrecht kann ausgeübt werden, soweit sich der Veräußerer auf ein schutzwürdiges Eigeninteresse berufen kann und der Übernehmer des Hofes dem keinen eigenen Anspruch (z. B. auf die Zustimmung zur Veräußerung) entgegensetzen kann.
  • Der Übergeber darf sich vertraglich kein Zustimmungsrecht für die Veräußerung oder Belastungen des Hofes Ein solches Vorgehen verstößt nach Ansicht des Amtsgerichts Beckum gegen das Verbot einer gesunden Verteilung von Grund und Boden nach § 9 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 GrdstVG, da der Erwerber in seiner eigenständigen und ordnungsgemäßen Betriebsführung eingeschränkt werde (AG Beckum 28.08.2017 – 100Lw 69/17).

III. Verfahrensrecht

Wenn die Erbfolge durch einen Übergabevertrag vorweggenommen wird und ein landwirtschaftlicher Betrieb übertragen wird, bedarf es dazu einer Genehmigung nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG. Handelt es sich bei dem Betrieb um einen Hof nach der Höfeordnung, bedarf es einer Genehmigung des Landwirtschaftsgerichtes nach § 17 Abs. 3 HöfeO.

  • Nicht jede Person kann gegen eine Genehmigung des Landwirtschaftsgerichtes eine Beschwerde einlegen.
  • Ein potenzieller Hoferbe, der sich nicht auf ein rechtlich gesichertes Anwartschaftsrecht berufen kann, ist nicht beschwerdebefugt (BGH 29.04.2016 – Lw ZB 2/15).

Potenzielle Hoferben müssen sich laut dem Bundesgerichtshof auf eine der folgenden Punkt berufen können, um eine Beschwerde einreichen zu können:

  • Den Anspruch auf den Hof aus einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament,
  • einen Hofübergabevorvertrag oder
  • die Hoferbenbestimmung durch eine dauerhafte Übertragung der Bewirtschaftung § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HöfeO.

IV. Kosten- und Gebührenordnung

Für die Löschung des Hofvermerks veranschlagen die Gerichte unterschiedliche Beträge.

  • Teilweise werden die Kosten gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG nach billigem Ermessen veranschlagt. Das Gericht geht bei 1/5 des Verkehrswertes von einem angemessenen Betrag aus (OLG Oldenburg, 26.01.2016 – 10W 22/15 und OLG Hamm, 11.08.2016 – 10 W 23/16).
  • Das OLG Schleswig stufte in seinem Urteil das Ersuchen des Landwirtschaftsgerichts, das Grundbuchamt um eine Löschung des Hofvermerks zu bitten und die eigentliche Löschung durch das Grundbuchamt als gebührenfrei ein (OLG Schleswig, 31.05.2016 – 60 L WLw 22/15; ähnliche Urteile von OLG Celle, 17.10.2016 – 7 W 35/16 und OLG Hamm 03.11.2016 10 W 150/15).

Für die Übertragung von landwirtschaftlichem Vermögen gilt folgendes:

  • Es wird auf den vierfachen Einheitswert des § 48 GNotKG abgestellt. Dies gilt auch für Sachverhalte, in denen kein Hofvermerk mehr existiert.

Geht es um die Feststellung, dass eine Besitzung kein Hof mehr ist nach der HöfeO ist (sog. negatives Hoffeststellungsverfahren) ist gem. § 46 GNotKG auf den Verkehrswert abzustellen (OLG Oldenburg, 05.07.2018 – 10 W 16/18).

V. Steuerrecht

Ist die Übertragung von landwirtschaftlichen Nutzflächen von mehr als 3.000 qm steuerpflichtig? Bei dieser Frage ist entscheidend, ob stille Reserven aufgedeckt wurden. Stille Reserven werden bei der Entnahme oder Veräußerung eines Wirtschaftsgutes aufgedeckt. Der sich daraus ergebende Veräußerungsgewinn ist steuerpflichtig.

  • Wenn die landwirtschaftlichen Nutzflächen nur einen Teilbetrieb darstellen, kommt es durch die Übertragung nicht zu einer Betriebsaufgabe und somit auch nicht zu einer Aufdeckung stiller Reserven.

Ein Teilbetrieb liegt nach dem Bundesfinanzhof vor, wenn Indizien für eine gewisse Selbstständigkeit der Nutzflächen sprechen.

  • Es muss ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisatorisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist, vorliegen.
  • Indizien können eine eigene Hofstelle oder ein besonderes Anlagevermögen sein.

Im konkreten Fall wurde die Eigenschaft der 3.000 qm großen Nutzfläche als Teilbetrieb verneint. Somit war die Übertragung steuerpflichtig (BFH, 16.11.2017 – VI R 63/15).

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