Versetzung ins Ausland ist möglich!
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 30.11.2022, 5 AZR 336/21
Zum Sachverhalt:
§ 106 Gewerbeordnung (GewO) räumt Arbeitgebern ein Weisungsrecht ein. Er kann ein Arbeitgeber nach billigem Ermessen und sofern es keine entgegenstehenden vertraglichen Regelungen gibt, den Inhalt, Ort und die Zeit der Arbeitsleistung bestimmen.
In der bisherigen Rechtsprechung des BAG bezog sich die Frage, ob eine Versetzung billig ist, in der Regel auf Versetzungen innerhalb Deutschlands (zum Beispiel eine Versetzung nach Düsseldorf: BAG, Urteil vom 18.10.2012, 6 AZR 86/11).
Das BAG urteilte nunmehr zur Anwendbarkeit von § 106 GewO auf Versetzungen ins Ausland.
Zum Fall:
Der Kläger des Falles war in Nürnberg stationierter Verkehrspilot und arbeitete bei einer Gesellschaft, die zur irischen Ryan Air-Gruppe gehörte. Im Arbeitsvertrag vom Dezember 2017 wurde die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart. 2020 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf eine andere Fluggesellschaft über, die ihren Sitz in Malta hatte und ebenso zur Ryan Air-Gruppe gehörte.
Der Nürnberger Standort wurde Anfang 2020 aufgelöst und der Pilot am 01.05.2020 einseitig nach Bologna in Italien versetzt. Außerdem kündigte die Beklagte im Wege der Änderungskündigung, d.h. dem Arbeitnehmer wurde ein neuer Arbeitsvertrag ab Mai 2020 mit Bologna als neuem Arbeitsort angeboten.
Aufgrund der Standortschließung vereinbarten die Pilotengewerkschaft Cockpit und Ryan Air einen Tarifsozialplan, der vorsah, dass von Piloten ungewünschte Versetzungen möglichst vermieden werden sollten und rückwirkend ab Februar 2019 deutsches Recht anwendbar sei.
Der Pilot nahm die Änderungskündigung unter Vorbehalt an und klagte auf die Feststellung, dass die Versetzung unwirksam oder die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam war.
Das Arbeitsgericht Nürnberg und das Landesarbeitsgericht Nürnberg wiesen die Klage ab und hielten die Versetzungen für rechtmäßig (LG Nürnberg, Urteil vom 29.10.2020, 9 Ca 787/29 und LAG Nürnberg, Urteil vom 23.04.2021, 8 Sa 450/20).
Entscheidung des BAG:
Auch das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Aufgrund der Anwendbarkeit des deutschen Rechts war der Streit auf der Grundlage von § 106 GewO zu entscheiden.
Nach Ansicht des BAG umfasst § 106 GewO Versetzungen an einen ausländischen Arbeitsort, da sich aus dem Gesetz keine Begrenzung auf Arbeitsorte innerhalb Deutschlands ergeben.
Auch entsprach die Versetzung konkret billigem Ermessen.
Es gab insbesondere innerhalb Deutschlands keine freien Stellen mehr und eine weitere Beschäftigung in Nürnberg war aufgrund der Standortschließung nicht möglich. Damit war die Versetzung des Piloten rechtens.
Die Gehaltseinbußen aufgrund der geringeren Tarifgehälter in Italien mussten vom Kläger ferner hingenommen werden.
Bewertung dieser Entscheidung:
Der vorliegenden Entscheidung des BAG ist zuzustimmen.
Zum ersten Mal entschied das Gericht einen Fall, der die Versetzung ins Ausland zum Gegenstand hat auf der Grundlage von § 106 GewO. Die weite Reichweite des § 106 GewO wird vom Gericht zutreffend anerkannt.
In der Praxis bleiben Versetzungen ins Ausland aber weiterhin dann unmöglich, wenn berechtigte Interessen des Arbeitnehmers, wie etwa schulpflichtige Kinder, gegen einen Arbeitsortwechsel sprechen. Solche Konstellationen scheitern am billigen Ermessen, das § 106 GewO voraussetzt.
Das Urteil zeigt, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsverträge rechtlich überprüfen lassen sollten, um eine ungewünschte Versetzung zu vermeiden.
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