Zum Sachverhalt
Im vorliegenden Sachverhalt haben die Parteien einen Dienstvertrag geschlossen. Der Vertragsschluss erfolgte außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers. Eine Widerrufsbelehrung unterblieb. Nachdem der Elektriker die vereinbarte Installation vorgenommen hat, erklärte der Verbraucher kurze Zeit später und fristgerecht den Widerruf. Weiterhin verweigerte der Verbraucher jegliche Zahlung einer Vergütung. Daraufhin ging der Unternehmer gerichtlich dagegen vor. Das Landgericht Essen legte den Sachverhalt jedoch dem EuGH vor, da es Zweifel hatte, ob jegliche Ansprüche durch das EU-Recht ausgeschlossen sind.
Wann entfällt die Vergütungspflicht des Verbrauchers im Falle des Verbraucherwiderrufs?
Der Anspruch auf Wertersatz für eine bereits erfüllte Dienstleistung entfällt, wenn die Voraussetzungen des § 375a Abs. 2 BGB nicht vollständig vorliegen.
Der Anspruch auf Wertersatz des Unternehmers besteht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt, sind:
- Vorliegen eines Verbrauchervertrages,
- Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag,
- Verbraucher erklärt den Widerruf,
- Der Verbraucher fordert Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist und
- Der Unternehmer hat den Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß informiert.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH stellt klar, dass der Verbraucher von der Leistungspflicht vollständig befreit werde, wenn die Leistung bereits erbracht wurde und keine Widerrufsbelehrung erfolgt ist. Diese Auffassung begründet der EuGH mit dem Sinn und Zweck der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie und den Umständen eines Vertragsschlusses außerhalb von Geschäftsräumen. Denn der Verbraucher befindet sich bei solchen Verträgen meist psychisch unter Druck gesetzt und die Situation stellt ein Überraschungsmoment dar.
Damit der Verbraucher geschützt wird und den Vertrag in Kenntnis der gesamten Sachlage schließen kann, benötigt er eine Frist, innerhalb derer er den Vertrag widerrufen kann, so dass der Dienstleister nach der Richtlinie verpflichtet ist, auf das Widerrufsrecht und die bestehende Widerrufsfrist hinzuweisen. Unterlässt der Unternehmer die Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht, kann der Verbraucher – nach Ansicht des EuGH – keine informierte Entscheidung treffen.
Deshalb entfällt die Vergütungspflicht des Verbrauchers bei fehlender Widerrufsbelehrung gem. § 375a Abs. 2 BGB. Aus diesem Grund würden die Regelungen der EU-Richtlinie unterlaufen werden, wenn der Unternehmer die Vergütung im Wege einer ungerechtfertigten Bereicherung abschöpfen könnte. Dieser Gedanke findet sich auch im nationalen deutschen Recht in § 361 BGB wieder. Denn dort werden alle weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs ausgeschlossen.
Der EuGH lässt in seinem Urteil offen, ob dieser Rechtsgedanke auch auf Fernabsatzgeschäft (Internetverträge) anzuwenden ist oder sich nur auf den außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (Haustürgeschäfte) bezieht. Da die Regelungen der §§ 375- 361 BGB jedoch für beide Vertragsformen gelten, ist anzunehmen, dass eine fehlende Widerrufsbelehrung bei Online-Dienstverträgen ebenfalls eine vollständige Leistungsbefreiung des Verbrauchers bedeutet.
(EuGH am 17.05.2023 Az.: C-97/22)
Fazit
Als Unternehmer sollte man genauestens darauf achten, dass alle Informations- und Belehrungspflichten gegenüber Verbrauchern eingehalten werden, da die Konsequenzen sonst enorm sein können. Am wichtigsten bei Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist wohl die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Ist eine Widerrufsbelehrung erfolgt, kann sich der Dienstleister zusätzlich dadurch absichern, dass er erst nach Ablauf der Widerrufsfrist (14 Tage nach Widerrufsbelehrung) die geschuldete Leistung erbringt oder der Kunde ausdrücklich auf die Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist besteht und dies unterschriftlich von dem Dienstleister dokumentiert wird.