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Können krankheitsbedingte Kündigungen eine Pflicht zur Massenentlassungsanzeige begründen?

Damit die Agentur für Arbeit sich auf einen Anstieg von arbeitslosen Personen einstellen kann, sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Kündigungen anzuzeigen, sofern Schwellenwerte überschritten werden und der Betrieb mehr als 21 Mitarbeiter beschäftigt.

Doch welche Kündigungen können eine entsprechende Anzeigepflicht auslösen? Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem aktuellen Urteil beschäftigt.

Da sollten Sie zu diesem Thema wissen:

Zum Fall:

Ein Sicherungsdienstleister des Düsseldorfer Flughafens kündigte in einem Zeitraum von knappen vier Wochen 34 seiner 5000 Mitarbeiter aus krankheitsbedingten Gründen. Auf eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit wurde verzichtet. Bei einem der entlassenen Arbeitnehmer handelte es sich um einen Luftsicherheitsassistenten. Von 2018 bis 2020 war der Mann krankheitsbedingt 45 bis 74 Tage im Jahr arbeitsunfähig. Da er der Meinung war, dass seine Kündigung mangels Massenentlassungsanzeige unwirksam sein könnte, reichte der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage vor Gericht ein (LAG Düsseldorf 15.10.2021 – 7 Sa 405/21).

Wann muss eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingereicht werden?

Eine Massenentlassungsanzeige ist erforderlich, wenn durch die geplanten Entlassungen die in § 17 Abs. 1 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) festgelegten Schwellenwerte innerhalb von 30 Kalendertagen überschritten werden. In folgenden Fällen muss eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden:

  • In Betrieben mit 21-59 Mitarbeitern sollen mindestens 6 Arbeitnehmer entlassen werden.
  • In Betrieben mit 60-499 Mitarbeitern sollen mindestens 26 Arbeitnehmer oder 10 % der Angestellten entlassen werden.
  • In Betrieben mit 500 oder mehr Mitarbeitern sollen mindestens 30 Arbeitnehmer entlassen werden.

Bevor der Arbeitgeber in diesen Fällen Mitarbeiter entlässt, muss eine entsprechende schriftliche Anzeige bei der für den Betriebssitz zuständigen Agentur für Arbeit eingehen. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, muss dessen Stellungnahme beigelegt werden. Ansonsten muss der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass der Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige über die geplante Massenentlassung unterrichtet wurde.

Welche Kündigungen müssen in die Berechnung miteinbezogen werden?

  • Nach Art. 1 Abs. 1 a der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG sind für die Bewertung, ob eine Massenentlassung vorliegt, nur Kündigungen relevant, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt. Folglich wären nur betriebsbedingte Kündigungen von dem Begriff der „Massenentlassung“ umfasst.
  • Nach § 17 KSchG werden Massenentlassungen jedoch nicht auf betriebsbedingte Kündigungen reduziert. Stattdessen gilt in Deutschland, dass Massenentlassungen auch bei einer entsprechenden Anzahl von personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen vorliegen können. Personenbedingt sind beispielsweise auch Kündigungen, die krankheitsbedingt erfolgen.
  • Die Regelung des deutschen Gesetzgebers verstößt nicht gegen Unionsrecht, da die Massenentlassungsrichtlinie explizit vorsieht, dass die Mitgliedsstaaten abweichende Regelungen erlassen können, sofern sie im Interesse der Arbeitnehmer sind.

Welche Informationen muss die Anzeige enthalten?

Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG muss die Agentur für Arbeit über folgende Punkte informiert werden:

  • den Namen des Arbeitgebers,
  • den Sitz des Betriebes,
  • die Art des Betriebes,
  • die Gründe für die geplanten Entlassungen,
  • die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
  • die Zahl und Berufsgruppen der beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.

Was droht, wenn eine Anzeige nicht ordnungsgemäß erfolgt ist oder vollständig ausbleibt?

  • Wenn eine Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß eingereicht wurde, kann dies der Wirksamkeit der späteren Kündigungen im Wege stehen.
  • Wenn keine Massenentlassungsanzeige eingereicht wurde, hat dies stets die Unwirksamkeit der Kündigungen zur Folge.

Wie hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden?

Das Gericht betonte, dass auch krankheitsbedingte Kündigungen eine Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit aus § 17 KSchG begründen können. Die Kündigung des Klägers sei schon mangels der Massenentlassungsanzeige unwirksam (LAG Düsseldorf 15.10.2021 – 7 Sa 405/21).

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